LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.02.2012 - L 27 P 26/11

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2011 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch dessen außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid, mit dem ihre Entscheidung über die Einstellung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (Pflegegeld nach der Pflegestufe II) ab dem 1. April 2005 aufgehoben worden ist.

Der 19xx geborene Kläger leidet an einer mittelgradigen Intelligenzminderung und einer symptomatischen Epilepsie mit einfach fokalen und sekundär generalisierten Anfällen. Zu seinen Gunsten sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die Merkzeichen "G", "H", "B" und "RF" festgestellt. Der Kläger bewohnt zusammen mit seiner Mutter, die seine Betreuerin ist und zugleich seine Pflege übernommen hat, eine 3-Zimmer-Wohnung. Er besucht eine Werkstatt für behinderte Menschen und bezieht Leistungen der Grundsicherung nach § 41 des XII. Buches des Sozialgesetzbuches.

Der Kläger erhielt zunächst Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 57 des V. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) und zwar seit dem 17. Juli 1991 von der H kasse und sodann infolge eines Kassenwechsels zum 28. Januar 1993 seitdem von der Beklagten.

Am 17. Februar 1995 ließ die Beklagte den Kläger durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) - erneut - begutachten, der in seinem Gutachten von demselben Tag feststellte, dass ein Besserungsnachweis nicht geführt werden könne. Es läge eine erhebliche Pflegebedürftigkeit im Sinne des zum 1. Januar 1995 in Kraft getretenen XI. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) vor. Mit Bescheid vom 22. März 1995 bewilligte die Beklagte dem Kläger daher aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 45 des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG) ab dem 1. April 2005 Leistungen der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftigkeit).

Am 1. Februar 1999 ließ die Beklagte den Kläger erneut durch den MDK begutachten. Die mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Pflegefachkraft W gelangte in ihrem Gutachten zu der Einschätzung, dass der wöchentlich im Tagesdurchschnitt erforderliche Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege 100 Minuten und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 30 Minuten betrage. Zwar würden damit nur die Voraussetzungen für Pflegestufe I (erhebliche Pflegebedürftigkeit) erreicht, jedoch sei der Kläger kassentechnisch der Pflegestufe II zuzuordnen. Dem Kläger wurden mangels Besserungsnachweis mit Blick auf die Übergangsvorschrift des Art. 45 PflegeVG weiterhin Leistungen der Pflegestufe II gewährt.

Aufgrund einer erneuten am 11. April 2001 stattfindenden Begutachtung gelangte die mit der Erstattung des Gutachtens beauftragte Pflegefachkraft Frau G des MDK in ihrem Gutachten vom 19. August 2001 zu der Einschätzung, dass der Kläger der Pflegestufe II zuzuordnen sei, weil der Pflegebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 3 Stunden betrage, wobei mindestens 2 Stunden auf die Grundpflege entfielen. Der Pflegeaufwand betrage wöchentlich im Tagesdurchschnitt im Bereich der Grundpflege 125 Minuten (100 Minuten Körperpflege, 13 Minuten Ernährung, 12 Minuten Mobilität), im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 60 Minuten. Bedingt durch das Älterwerden des Jugendlichen und nicht ausreichende Entwicklungsfortschritte habe sich der Pflegebedarf zum Vorgutachten erhöht. Der Kasse werde empfohlen ab 08/2000 (Versicherter zu diesem Zeitpunkt 14 jährig) Leistungen der Pflegestufe II zu gewähren. Dementsprechend stellte die Beklagte mit Schreiben vom 24. August 2001 fest, dass nach dem vorliegenden Gutachten, "die Voraussetzungen für die Gewährung der Pflegestufe zwei weiterhin erfüllt seien".

Aufgrund einer von Amts wegen eingeleiteten Nachuntersuchung stellte der nunmehr mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Arzt Dipl.-Med. V. Z des MDK nach körperlicher Untersuchung des Kläger vom 5. Januar 2005 in seinem an demselben Tag erstatteten Gutachten fest, dass der wöchentlich im Tagesdurchschnitt anfallende Grundpflegebedarf nur noch 48 Minuten (40 Minuten Körperpflege, 3 Minuten Ernährung, 5 Minuten Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 77 Minuten betrage. Mit dem Älterwerden komme es offensichtlich zu Adaptionen und gewissen Routineausführungen für ein selbstständiges Handeln. Der Pflegeaufwand entspräche denen der Pflegestufe I.

Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 10. Februar 2005 hob die Beklagte mit Bescheid vom 23. März 2005 den "Bescheid vom 22.03.1995" gestützt auf § 48 des X. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) auf. Leistungen der Pflegestufe II würden nur noch bis zum 31. März 2005 gewährt, ab dem 1. April 2005 würde der Kläger Leistungen der Pflegestufe I erhalten. Insoweit erging unter demselben Datum ein entsprechender Bewilligungsbescheid. Mit Schreiben vom 26. März 2005, das am 31. März 2005 bei der Beklagten einging, hat die Betreuerin des Klägers gegen die Rückstufung der Pflegestufe Widerspruch eingelegt. In einem am 6. Juni 2005 bei der Beklagten eingegangenen Formularvordruck, der vom 3. Juni 2005 datiert und von der Betreuerin handschriftlich unterzeichnet ist, hat diese die vorgedruckten Spalten über die Rücknahme und teilweise Rücknahme des Widerspruchs handschriftlich insoweit ergänzend, als dass streitbefangen die

"Auflistung der wirklich anfallenden Pflegestd. im Haus"

bleibe.

In einem auf dem Formularvordruck mit dem Stempelaufdruck vom 20. Juni 2005 handschriftlich aufgebrachten und unterschriebnen Vermerk der Sachbearbeiterin V heißt es:

"Telefonat mit Frau B, ich habe ihr nochmals ausführlich die Rechtslage und Pflegebedürftigkeitsrichtlinien erläutert. Im Telefonat hat Frau B den Widerspruch vollständig zurückgezogen."

Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger erneut am 28. April 2008 durch den MDK begutachtet. In seinem Gutachten vom 8. Mai 2008 gelangte der Gutachter O H zu der Einschätzung, dass der Pflegebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt im Bereich der Grundpflege 58 Minuten (40 Minuten Körperpflege, 5 Minuten Ernährung, 13 Minuten Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 60 Minuten betrage.

Im Zuge der Bekanntmachung des vorgenannten Gutachtens bat der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Juni 2008 um Bescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23. März 2005, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2008 zurückwies.

Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides hat der Kläger am 19. September 2008 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie sich gegen die Aufhebungsentscheidung des Beklagten wendet.

Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, dass seine Betreuerin in dem mit Frau V geführten Telefonat, in dessen Rahmen es zu einem Streit gekommen sei, den Widerspruch nicht zurückgenommen habe.

Das Sozialgericht hat im Rahmen seiner Ermittlungen den Arzt für Psychiatrie Prof. Dr. Z mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 18. März 2010 nebst ergänzender Stellungnahme vom 14. November 2010 gelangte der Sachverständige nach körperlicher Untersuchung des Klägers in dessen häuslicher Umgebung vom 17. März 2010 zu der Einschätzung, dass ein wöchentlich im Tagesdurchschnitt pflegerischer Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege von 124,69 Minuten (53 Minuten Körperpflege, 19 Minuten Ernährung, 52,69 Minuten Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Verrichtung von 60 Minuten bestehe. Eine substantielle Verbesserung des Zustandes bzw. eine entsprechende Veränderung des Gesundheitszustandes könne für die letzten 15 Jahre nicht objektiviert werden und sei auch für die Zukunft nicht zu erwarten. Den vorhandenen Unterlagen und den eigenen Befunden sei eine gravierende Änderung retrospektiv nicht zu entnehmen. Der Kläger habe in den Jahren 2001 bis 2005 mit Sicherheit nicht einen solchen Entwicklungsschub erlebt, dass der Grundpflegebedarf von 125 Minuten auf wöchentlich im Tagesdurchschnitt nur noch 48 Minuten abgesunken sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. März 2011 hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid des Beklagten vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2008 aufgehoben. Der Kläger habe Anspruch auf Weitergewährung von Leistungen der Pflegestufe II über den 31. März 2005 hinaus. Dies folge aus dem Schreiben vom 24. August 2001, das als Bescheid zu werten sei. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Bescheid vom "31. März 2005" (gemeint dürfte der vom 23. März 2005 sein) nicht bestandskräftig geworden. Denn eine hier angesichts der unklaren Ausgangslage zu fordernde schriftliche Rücknahme des Widerspruches läge nicht vor. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die die Aufhebung gemäß § 48 SGB X rechtfertigen könne, sei nicht eingetreten. Dabei seien entgegen der Auffassung der Beklagten nicht die Verhältnisse von 1993 mit denen im Jahre 2005 (Aufhebungsbescheid vom 23. März 2005) bzw. 2008 (Widerspruchsbescheid vom 18. August 2008) zu vergleichen, sondern die Verhältnisse von 2001 (Weiterbewilligungsbescheid vom 24. August 2001) mit denen im Jahre 2005 bzw. 2008. Insoweit folge die Kammer dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Z, der überzeugend eine wesentliche Änderung verneint habe. Die vorgelegte Stellungnahme des Arztes Dipl.-Med ... No des MDK vom 31. Mai 2010 sei nicht geeignet, die Darstellung des Sachverständigen zu widerlegen.

Gegen den ihr am 1. April 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 29. April 2011 Berufung eingelegt, mit der sie die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt.

Sie ist der Auffassung, dass die Klage bereits unzulässig sei. Der Bescheid vom 23. März 2005 sei infolge Rücknahme des Widerspruchs bestandskräftig geworden. Eine schriftliche Rücknahme sei insoweit nicht erforderlich. Im Übrigen sei der Aufhebungsbescheid vom 23. März 2005 aber auch in der Sache rechtmäßig ergangen. Dies zeige ein Vergleich der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Bewilligungsbescheides vom 24. August 2001 mit denen zum Zeitpunkt der Entziehung durch Aufhebungsbescheid vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2008. Der vom Sachverständigen Prof. Dr. Zermittelte Hilfebedarf sei nicht nachvollziehbar und insbesondere insoweit unzutreffend, als von einem erheblichen Hilfebedarf im Bereich der Mobilität ausgegangen werde. Denn ein Hilfebedarf für die Begleitung u. a. zur Physiotherapie und zum Behindertensport falle seit dem 1. April 2005 nicht mehr regelmäßig wöchentlich an.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass ein Parteigutachten des MDK nicht geeignet sei, die Feststellungen des Sozialgerichts zu widerlegen. Überdies sei im September 2011 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis zutreffend. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2008 ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, so dass er auf die Anfechtungsklage des Klägers gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Var. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der Aufhebung unterliegt.

Der Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2008 steht nicht dessen Bestandskraft entgegen. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, der Kläger hätte den Widerspruch gegen den Bescheid durch seine Betreuerin zurückgenommen, lässt sich nicht feststellen, ob eine wirksame Rücknahme des Widerspruchs vorliegt. Die angesichts des widerstreitenden Vortrages der Beteiligten Nichterweislichkeit dieser Tatsache geht daher zu Lasten der Beklagten, die sich auf die Rücknahme beruft.

Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, worauf die Beklagte die Aufhebungsentscheidung stützt, ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Hierbei sind die zum Zeitpunkt der Aufhebung bestehenden Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung vorhanden gewesen sind, zu vergleichen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der von der Beklagten ausweislich des angefochtenen Bescheides vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ausdrücklich aufgehobene Bescheid vom 22. März 1995 über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftigkeit) ab dem 1. April 2005 aufgrund des Art. 45 PflegeVG ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Entgegen der Ansicht der Beklagten erweist sich dessen Aufhebung gestützt auf § 48 SGB X als rechtswidrig, weil eine wesentliche Änderung aus rechtlichen Gründen und damit vorliegend auch zugleich aus tatsächlichen Gründen nicht festgestellt werden kann. Aufgrund des Inkrafttretens des SGB XI zum 1. Januar 2005 mussten pflegebedürftige Versicherte, die Leistungen nach den §§ 53 bis 57 SGB V bezogen haben, in das System des SGB XI überführt werden. Nach Maßgabe der Übergangsbestimmung des Art. 45 Abs. 1 PflegeVG ist der Kläger, der entsprechende Leistungen nach dem SGB V bis zum 31. März 1995 bezogen hat, mit Wirkung zum 1. April 1995 ohne Antragstellung in die Pflegestufe II – ungeachtet des Umstandes, ob die gesetzlichen Voraussetzungen nach dem SGB XI für diese Eingruppierung vorlagen – eingestuft worden. Aufgrund dieser unterstellten Pflegebedürftigkeit des Klägers nach der Pflegestufe II mit Bescheid vom 22. März 1995 ist dem Beklagten eine vergleichende Betrachtung, die auf den tatsächlichen Pflegebedarf zum Zeitpunkt der Bewilligung einerseits mit dem zu einem späteren Zeitpunkt andererseits abstellt, aus Rechtsgründen und damit zugleich – mangels faktischer Möglichkeit einer vergleichenden Betrachtung – auch aus tatsächlichen Gründen verwehrt.

Soweit der Beklagte augrund des Gutachtens der Frau G des MDK vom 19. August 2001, wonach erstmals das Vorliegen der Voraussetzungen für die Pflegestufe II nach dem SGB XI auch tatsächlich bejaht wird (der Pflegebedarf beläuft sich danach auf wöchentlich im Tagesdurchschnitt mehr als 3 Stunden, wobei 2 Stunden auf die Grundpflege entfallen, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI), mit dem auch von der Beteiligten übereinstimmend als Bescheid gewertetem Schreiben 24. August 2001 festgestellt, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe II weiterhin erfüllt seien, ist dieser einer Überprüfung nach § 48 SGB X grundsätzlich zugängliche Bescheid indes von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2008 nicht aufgehoben worden. Eine diesbezügliche Aufhebung lässt sich dem Aufhebungsbescheid nicht ansatzweise entnehmen. Der nicht aufgehobene Bescheid vom 24. August 2001 setzt dann aber einen neuen Rechtsgrund für den Leistungsanspruch auf Leistungen der Pflegestufe II über den 31. März 2005 hinaus. Vor diesem Hintergrund kann letztlich das Schicksal des von der Aufhebung erfassten Bescheides vom 22. März 1995 - und seines erzeugten Rechtsscheins, dass mit seiner Aufhebung ein Anspruch über den 31. März 2005 hinaus nicht mehr bestehe - sogar dahinstehen und erweist sich die Entscheidung des Sozialgerichts als Ergebnis gleichwohl richtig.

Überdies dürfte in der Sache – unterstellt der Bescheid vom 24. August 2001 läge der vorliegenden Aufhebungsentscheidung zu Grunde - bei einer vergleichenden Betrachtung des Pflegebedarfes des Klägers zum Zeitpunkt der neuen Bewilligung (24. August 2001) mit dem zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung (2005 bzw. 2008) vieles dafür sprechen, dass eine wesentliche Änderung in der tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht eingetreten ist. Für die Aberkennung der Pflegestufe II maßgeblich war vorliegend u. a. auch, dass im Bereich der Grundpflege sich der Pflegebedarf für die Körperpflege von wöchentlich im Tagesdurchschnitt 100 Minuten (s. Gutachten der Pflegefachkraft G des MDK vom 19. August 2001) auf 40 Minuten (s. Pflegegutachten des Arztes Dipl.-Med. Z vom 5. Januar 2005) reduziert haben soll. Eine wesentliche Änderung des Pflegebedarfes in diesem Sinne erscheint indes fraglich, weil die Erhöhung des Grundpflegebedarfes einerseits mit dem Älterwerden des Klägers und dessen nicht ausreichenden Entwicklungsschritten begründet worden ist (so die Pflegefachkraft G, während für die Abnahme nunmehr anderseits ebenfalls das Älterwerden und die Routine ursächlich sein sollen (so der Arzt Dipl.-Med. Z), wobei der Sachverständige Prof. Dr. Z retrospektiv einen Entwicklungsschub verneint. Für das Vorliegen von Änderungen, die nachvollziehbar den Umfang des Hilfebedarfes vermindert haben, trifft aber die Beklagten, die sich in dem auf § 48 SGB X gestützten Bescheid auf die Änderung beruft, letztlich die materielle Beweislast. Dem Umstand, ob die dem Bescheid vom 24. August 2001 zu Grunde liegende Leistungsbewilligung nach der Pflegestufe II möglicherweise rechtswidrig war, so dass sich eine Aufhebungsentscheidung nicht an § 48 SGB X, sondern an § 45 SGB X messen lassen muss, braucht nicht weiter nachgegangen zu werden. Eine insoweit denkbare Umdeutung des hier ergangenen Aufhebungsbescheides gemäß § 43 SGB X würde nämlich gleichwohl zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung führen, weil es bereits an der zudem erforderlichen Ermessensausübung fehlen würde (Ermessensausfall).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.